Schlagwort-Archiv: Parlamentarismus

Parteien in der marxistischen Theorie

„Die politischen Parteien sind der Reflex und die Nomenklatur der Gesellschaftsklassen. Sie entstehen, entwickeln sich, lösen sich auf, erneuern sich, je nachdem, ob die einzelnen Schichten der kämpfenden Gesellschaftsklassen Verschiebungen von wirklich geschichtlicher Tragweite unterliegen, ihre Existenz- und Entwicklungsbedingungen radikal verändert sehen, eine größere und klarere Bewusstheit ihrer selbst und der eigenen vitalen Interessen erwerben.“[i] Gramsci schrieb dies 1920 in einer Phase großer Umbrüche im Parteiensystem Italiens. Bürgerliche Parteien zersetzten sich. Kampfbünde entstanden. Es gab Zeichen für den kommenden Übergang der konstitutionell-parlamentarischen Monarchie zur Diktatur. Die italienische Kommunistische Partei war dabei, sich aus der Sozialistischen Partei heraus zu formieren.

Schon Marx charakterisierte in seinen politischen Schriften die Parteien anhand der sozialen Klassen und Schichten, aus denen sie hervorgingen und die sie vertraten. Seine Schrift Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte über die Phasen der 1848er Revolution in Frankreich ist auch eine Studie über die Parteien der Zweiten Französischen Republik. Sie bildeten sich aus den Elementen, „die die Revolution vorbereitet oder bestimmt hatten, dynastische Opposition, republikanische Bourgeoisie, demokratisch-republikanisches Kleinbürgertum, sozial-demokratisches Arbeitertum“. Alle fanden „ihren provisorischen Platz in der Februar-Regierung“.[ii] Weiterlesen

Das Parteiensystem vor der Bundestagswahl 2021

Von Beate Landefeld

Mit der Bundestagswahl 2021 geht die Ära Merkel zu Ende. Sie hinterlässt eine gewandelte CDU und ein verändertes Parteiensystem im Land. Merkel modernisierte die CDU, um sie für die neuen lohnabhängigen Mittelschichten attraktiv zu machen. Im Gefolge der Expansion des Bildungswesens seit den 1970er Jahren und mit der Ausweitung öffentlicher und privater Dienstleistungen wuchsen diese Schichten zahlenmäßig stark an. Zum Teil noch geprägt durch die 1968er Generation, wählten sie in den 1970er Jahren überwiegend die SPD, ab den 1980er Jahren zunehmend die Grünen. Der Einfluss der CDU in den Großstädten schrumpfte. Mit dem Übergang zum Neoliberalismus und beschleunigt durch die Agenda 2010 setzte zudem die Erosion der Wählerbasis der SPD ein, die sich seit 1990 halbierte.

Merkels inhaltliche Modernisierung der CDU bestand im Aufgreifen und Einverleiben jener Themen der neuen sozialen Bewegungen der 1980er Jahre, die mit den Interessen des Monopolkapitals vereinbar sind. Das betraf die Klimafrage, den Atomausstieg und viele Minderheitenrechte. Die CDU wurde bündnisfähig für Grüne und ihre Klientel. Die Grünen erwarben die Weihe der „Regierungsfähigkeit“ als neoliberale NATO-Partei mit dem Jugoslawienkrieg und der Agenda 2010 in den Schröder/Fischer-Regierungen 1998-2005. Wahltaktisch agierte die CDU unter Merkel im Sinne der sogenannten „asymmetrischen Demobilisierung“. Gestützt auf die relativ vielen CDU-Stammwähler vermied sie die Polarisierung und den Lagerwahlkampf, so dass Wähler der konkurrierenden SPD kein starkes Motiv hatten, zur Wahl zu gehen. Weiterlesen